Deutschland
Nahrungsergänzungsmittel sind kein Ersatz für Sonnenschutz
Verbraucherzentrale NRW kritisiert die aktuelle Werbung für „Sonnenkapseln“ mit Betacarotin
24.07.2025 08.40 (PM)
Deutschland. Die Werbeaussagen klingen gut: „Für natürliche Bräune und Schutz der Haut“, „Sonnenfit“ oder „verbesserter Lichtschutz“. Das verspricht einen Supereinstieg in den Urlaub – zumal in
den sozialen Medien gerade viel über die angebliche Gefährlichkeit von Sonnenschutzmitteln diskutiert wird. Und manche Influencer:innen begeistern sich so sehr für die angepriesenen
Sonnenkapseln, dass sie gerne mehr versprechen, als die Produkte halten können. Die Verbraucherzentrale NRW warnt davor, sich auf Nahrungsergänzungsmittel als Sonnenschutz zu verlassen und warnt
vor hochdosierter Einnahme. Betacarotin schützt nicht ausreichend
Nach den Erkenntnissen der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA bietet Betacarotin der Haut keinen umfassenden Schutz vor UV-Strahlung/Sonne. Denn dass die Haut durch die Aufnahme von
Sonnenkapseln einen wirksamen natürlichen Schutzschirm gegen die schädliche UV-Sonneneinstrahlung aufbaut, ist wissenschaftlich nicht ausreichend erwiesen. Solche Aussagen sind in der Werbung
daher verboten. Der Hinweis, dass die Sonnenkapseln als Sonnenschutz nicht ausreichen, war lediglich auf neun der 23 im Rahmen eines Marktchecks der Verbraucherzentrale NRW überprüften Produkte
zu finden. Auch andere Carotinoide wie Lutein oder Astaxanthin können zwar die Hautfarbe beeinflussen, bieten aber praktisch keinen Schutz vor der Sonne. Bei den wenigen Studien, die einen
positiven Nutzen zeigen konnten, war eine mindestens zehnwöchige Einnahme von mehr als 20 Milligramm Betacarotin pro Tag notwendig – aus gesundheitlicher Sicht deutlich zu viel, das
Bundesinstitut für Risikobewertung empfiehlt maximal 3,5 Milligramm pro Tag.
Zu hohe Dosierung birgt Gefahren
„Das Provitamin Betacarotin verleiht dem Körper zwar eine gewisse Brauntönung, ähnlich wie man es von sogenannten ‚Möhrenbabys‘ kennt“, erklärt Angela Clausen, Expertin für
Nahrungsergänzungsmittel bei der Verbraucherzentrale NRW. Auch biete es, wie fast alle Mikronährstoffe in Gemüse und Obst, einen gewissen antioxidativen Schutz: „Man weiß, dass Antioxidantien
schützende und gesundheitsfördernde Wirkungen entfalten, wenn sie im Rahmen einer gemüse- und obstreichen Ernährung aufgenommen werden. Jedoch ist nicht bewiesen, dass isolierte Antioxidantien in
Form von Nahrungsergänzungsmitteln vor Hautschädigungen oder Krankheiten schützen. Betacarotin in isolierter Form kann bei zu hoher Dosierung sogar eine gegenteilige – negative – Wirkung haben
und beispielsweise Krankheiten wie Lungenkrebs bei Raucher:innen fördern.“ Genau deswegen gibt es die genannte offizielle Höchstmengenempfehlung. Clausen ergänzt: „Leider halten sich viele
Hersteller nicht daran. In unserer aktuellen Marktstichprobe haben wir 23 Nahrungsergänzungsmittel, die mit Sonne/Bräune werben und/oder Betacarotin enthalten, unter die Lupe genommen. Gerade
einmal drei von 23 Produkten, also nur 13 Prozent halten die Höchstmengenempfehlung von maximal 3,5 Milligramm pro Tag ein.“
„Dieses Ergebnis unterstreicht einmal mehr die langjährige Forderung der Verbraucherzentrale NRW nach gesetzlichen Höchstmengen für Mikronährstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln. Sollte sich die
Umsetzung auf europäischer Ebene weiter verzögern, sind nationale Regelungen unabdingbar.“
Selbstbeschränkung der Lebensmittelindustrie funktioniert nicht
Neben der Höchstmengenempfehlung gibt es auch eine freiwillige Selbstbeschränkung der Lebensmittelindustrie. Demnach sollten in Nahrungsergänzungsmitteln maximal 4,8 Milligramm Betacarotin pro
Tagesdosis enthalten sein. Davon fanden die Verbraucherschützer im Rahmen ihres Marktchecks drei Produkte mit einer Tagesdosis zwischen 3,6 und 4,8 Milligramm. Die 17 Produkte, die mehr
Betacarotin enthalten, sollten laut Selbstverpflichtung einen Hinweis tragen, dass sie für starke Raucher:innen nicht geeignet sind oder dass die Anwendung zeitlich begrenzt erfolgen soll. Dieser
Raucherhinweis war jedoch nur bei neun Produkten vorhanden. „Damit halten sich weniger als die Hälfte der Hersteller an die seit 2001 geltende Selbstverpflichtung“, kritisiert Angela Clausen.
„Die Ergebnisse des Marktchecks zeigen darüber hinaus, dass sieben der 23 betrachteten Produkte sogar die maximal akzeptable Tageshöchstmenge von 15 Milligramm für zugesetztes Betacarotin
überschreiten. Aus unserer Sicht ist es absolut unverständlich, dass solche Nahrungsergänzungsmittel am Markt sind. Die Hersteller müssen die Sicherheit bei einer Einnahme über längere Zeit
garantieren können, das erscheint uns schwierig, wenn so häufig auf die Warnhinweise verzichtet wird.“